Didaktische Überlegungen zur Digitalisierung: Medienkompetenz im Problemunterricht

Dass die Digitalisierung mittlerweile alle Bereiche unseres täglichen Lebens beeinflusst ist hinlänglich besprochen. Daraus folgert als logische Konsequenz nur, dass sich auch all diese Bereiche verändern. In Bezug auf Unterricht bedeutet das, dass die Bildung und Förderung einer Medienkompetenz bei den Schüler*innen Teil des Curriculums werden muss.

Ausgehend von dieser Forderung und vom Einfluss der „neuen“ Medien in unserer Gesellschaft lassen sich gute Anknüpfungspunkte zu Klafkis kritisch-konstruktiver Didaktik finden. Er entwirft eine Form des Unterrichts, den er Problemunterricht nennt und der von sogenannten Schlüsselproblemen ausgeht. Im Folgenden wird aufgezeigt, warum gerade diese didaktischen Überlegungen in Bezug zu einer Förderung der Medienkompetenz sinnvoll wie gewinnbringend sind.

Klafki stellt in seiner Didaktik zunächst die These in den Mittelpunkt, dass Bildung zum pädagogisch-politischen Auftrag werden müsse (Jank/Meyer 230). (Neue) Medien werden an dieser Stelle bereits relevant, da sie eine gesellschaftspolitische Dimension haben und grundlegende Funktionen auch im politischen System (insbesondere Demokratien) erfüllen (bpb). Um den Einfluss der Medien auch auf das gesellschaftliche Geschehen bewusst wahrzunehmen und reflektieren zu können, bedarf es einer umfassenden Medienkompetenz, die also auch im schulischen Unterricht zu vermitteln ist. Nach Klafkis kritisch-konstruktiver Didaktik soll sich die Orientierung bei der didaktischen Analyse der Unterrichtsvorbereitung nicht mehr nur an den Bildungsplänen, sondern mehr an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler orientieren – an ihrer Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit (Jank/Meyer 230). Dies ist gerade beim Unterrichtsinhalt der neuen Medien sowohl nötig wie auch sinnvoll, da das Thema Schülerinnen und Schüler tagtäglich angeht und umgibt – sie sind ganz selbstverständlich Medien-Prosumenten in unserer heutigen Zeit.

Um seine Didaktik zu konkretisieren, benennt Klafki „[…] epochaltypische Schlüsselprobleme unserer kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, individuellen Existenz […]“ (Klafki 1995, 12). Diese Schlüsselprobleme werden verstanden als die zentralen Punkte der momentanen und zukünftigen, gesellschaftlichen, nationalen wie internationalen Veränderungen und Dynamiken. Diese Schlüsselprobleme sind notwendig, da die allgemeinbildenden Inhalte des Unterrichtes nicht mehr bestimmt werden sollen „[…] durch einen Bildungskanon im Sinne tradierter Bildungsgüter […]“ (Jank/Meyer 231), sondern durch die fundamentalen Anliegen und Fragestellungen der Gesellschaft, die dabei typisch für die jeweilige Epoche sind. Dieser so genannte Problemunterricht (vgl. ebd.) verfolgt als Ziel den Schüler*innen „[…] grundlegende Einstellungen und Fähigkeiten (bzw. Haltungen und Kompetenzen) […]“ (Jank/Meyer 232) zu vermitteln, wobei dem jeweils thematisierten Schlüsselproblem dabei immer nur eine exemplarische Bedeutung zukommt. Die durch die Arbeit an einem solchen exemplarischem Schlüsselproblem entwickelten Fähigkeiten zielen auf eine Handlungskompetenz, der die im Problemunterricht gewonnenen Erfahrungen und Einsichten zu Grunde liegen (vgl. Jank/Meyer 232). Durch diese Ausführungen wird deutlich, dass ein solcher Problemunterricht der Handlungs- und Kompetenzorientierung entspricht, die die Lehrpläne fordern.

Klafki hat in verschiedenen Veröffentlichungen Listen der Schlüsselprobleme in unterschiedlicher Länge benannt (vgl. Jank/Meyer, 234). Diese Offenheit des Konzeptes lässt daher den Schluss zu, dass die Schlüsselprobleme keine feststehenden und unverrückbaren Gegebenheiten sind, sondern sie sich im historischen Prozess wandeln können und auch sollen und es ist anzunehmen, dass in unserer derzeitigen Epoche der Umgang mit den neuen Medien eines der Schlüsselprobleme ist, derer sich im Unterricht angenommen werden sollte.

Die bis hier ausgeführten Gedanken sind in dem Sinne allgemein, als dass sie für alle Unterrichtsfächer gelten können. Doch Schlüsselprobleme eignen sich gerade und besonders für den Religionsunterricht, da in diesem immer auch eine Er- und Bearbeitung ethischer Themen erfolgt. Und ich Rahmen dieser Auseinandersetzung kann und sollte die Förderung von Medienkompetenz ein Unterrichtsziel darstellen. Denn eine umfassende Medienkompetenz beinhaltet neben anderem auch eine ethische Dimension – ausgedrückt in Medienkritik (vgl. Baacke 120).

An die Medienkompetenz „[…] schließt sich eine weitere Kompetenz an, die sich mit Sprachkompetenz beschreiben lässt.“ (Schwedemann et al. 39) Der Umgang mit Medien ist eine Form der Kommunikation, bei der Menschen sich mit Hilfe von Sprache und anderen Ausdrucksmöglichkeiten miteinander verständigen und positionieren (vgl. ebd.). Diese Kommunikation ist insbesondere „[…] auf das Zusammenleben der Menschen hin ausgerichtet.“ (ebd.) Es wird also auch in dieser Definition wiederum die interaktive und kollaborative Komponente der neuen Medien und des Web 2.0 deutlich.

Eine solche Medienkompetenz ist Teil einer handlungsorientierten Pädagogik und selbst eine Handlungskompetenz. Dies beinhaltet einen bewussten Umgang mit Medien ebenso wie die dem Alltag entsprechende Integration der Medien (vgl. Baacke 118; Mikos 70f.). Die Notwendigkeit, dass Medienkompetenz handlungsorientiert an- und ausgelegt werden muss, zeigt sich darin, dass die „Medien-Nutzung […] doppelwertig […ist…], denn sie besteht nicht nur aus der ‚Rezeption’ produzierter Botschaften, sondern auch in der ‚Produktion’ eigener Inhalte.“ (Baacke 113). Wir sind heutzutage, in Zeiten des Web 2.0, also ganz selbstverständlich Medien-Prosumenten.

Literatur

  • Baacke, Dieter (1996): Medienkompetenz – Begrifflichkeit und Wandel. Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Hrsg. Antje von Rein. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 112-124
  • bpb – Bundeszentrale für Politische Bildung (2012): Funktionen und Probleme der Medien. http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkun- de/139163/funktionen-und-probleme
  • Jank, Werner / Meyer, Hilbert (2009): Didaktische Modelle. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor
  • Klafki, Wolfgang (1995): „Schlüsselprobleme“ als thematische Dimension eines zukunftsorientierten Konzepts von „Allgemeinbildung“. Die deutsche Schule, Beiheft 3. Weinheim: Juventa, S. 9-14
  • Mikos, Lothar (1996): Film- und Fernsehkompetenz zwischen Anspruch und Realität. Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Hrsg. Antje von Rein. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 70-83
  • Schwedemann, Wilhelm / Theobald, Detlef G. (2014): Medien, Kompetenz und Teilhabe. BRU Magazin 61 „REAL digital. NEUE MEDIEN im BRU“, S. 38-45 http://www.uni-koeln.de/hf/konstrukt/reich_works/aufsatze/reich_42.pdf

Autorin
Elena Gielians ist Lehrerin an einer berufsbildenden Schule in Hildesheim, Niedersachsen. Sie unterrichtet in der Fachrichtung Druck-/Medientechnik und im Fach Religion. Sie setzt sich für eine Stärkung des Religionsunterrichtes im berufsbildenden Bereich ein und ist daneben (u.a.) an den Themen Bildung, Medien, Digitalisierung und Feminismus interessiert. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied der VER Niedersachsen.
Twitter: https://twitter.com/Helmutsdottir
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Elena Gielians
Elena Gielians

👩🏼‍🏫 Berufsschullehrerin für Drucktechnik, Mediengestaltung und ev. Religion. 👩🏼‍🎨👩🏼‍💻 Freie Grafikerin. 👩🏼‍💼 Referentin.