Escape Games: Storytelling und Gamification

Vielen ist es noch ein Begriff: das Computerspiel Monkey Island. In der Rolle des Piratenanwärters Guybrush Threepwood galt es zahlreiche Rätsel zu lösen, um ins nächste Level zu gelangen und Belohnungen zu erhalten. Escape Games bedienen sich eines ähnlichen Prinzips: eine packende Geschichte und zu lösende Aufgaben, um weiterzukommen. Wie kann religiöse Bildungsarbeit diese Methoden adaptieren?

Der Mensch als Homo ludens

Ein gängiges Erklärungsmodell, wonach der Mensch seine kulturellen Fähigkeiten durch das Spielen erlangt, stellt die des Homo ludens (Huzinga 1939) dar. Sie beschreibt, dass der Mensch im Spiel seine individuellen Eigenschaften entdeckt und sich durch die Erfahrungen darin in seiner Persönlichkeit entwickelt. Diese spielerischen Erfahrungsräume lassen sich ebenfalls im Feld religiöser Bildung finden. Denn: Stellt nicht die Auseinandersetzung mit biblischen Erzählungen immer wieder einen spielerischen Versuch dar, diese wahrzunehmen und auf das eigene Leben hin zu deuten?

Spielerisches Geschichtenerzählen

In der Religionspädagogik wurden viele Methoden anderer Disziplinen adaptiert, aber auch eigenständige Methodensets entwickelt. Da wären z.B. Godly Play (Gott im Spiel), welches „ein spielerisches Hineinwachsen in den Glauben“ (Schweikert 2012, S. 48) ermöglicht; das Bibliodrama, welches Erzählungen „nachspielt“; der Bibliolog und das Theologisieren, d.h. spielerisches Herantasten an die eigene Theologie. Die meisten dieser Methoden haben eines gemeinsam: das Erzählen einer Geschichte. Das „Storytelling“ zieht auch digital seine Kreise, sodass unterschiedliche digitale Settings gestaltet werden, in denen entweder Geschichten erzählt oder selbst erzählt werden. Eines dieser Settings möchte ich Ihnen hier vorstellen: die Escape Games.

Was ist ein Escape Game?

Ein Escape Game bzw. BreakOut Game, auch unter dem Markennamen BreakoutEDU verhandelt, stellt ein Abenteuerspiel dar, bei dem Rätsel und Aufgaben in einer vorgegebenen Zeit gelöst werden müssen, um das Spiel zu meistern.

Es gibt zahlreiche Umsetzungen diese Spielprinzips, vor allem in Computerspielen in sogenannten „Point-and-Click“-Adventures (z.B. Crimson Room). Aber auch als Live Escape Game erfreut sich dieses Spielprinzip immer mehr Beliebtheit als Gemeinschaftsabenteuer in vielen Städten Deutschlands (z.B. München mit HintQuest), Österreichs (z.B. Wien mit den Crime Runners) und in der Schweiz (z.B. in Bern AdventureRooms).

Im Raum sind verschiedene Rätsel und Hinweise versteckt, um an Codes und Passwörter zu gelangen, die entweder weitere Rätsel freischalten oder die Tür öffnen.

Ein kurzer Einblick in den Ablauf

Im Mittelpunkt steht neben dem „Entkommen“ bzw. „Ausbrechen“ das Lösen der Rätsel durch das Auffinden von Gegenständen, Hinweisen etc. in der eingebetteten Rahmenhandlung. Diese liefert die Geschichte, wieso ich mich jetzt bemühen sollte, in einer vorgeschriebenen Zeit den Raum zu verlassen. So beginnt ein Escape Game zumeist mit einem Intro, einer Hinführung, die Spannung aufbaut. Danach geht es an das erste Artefakt, das erste Rätsel und die Erkundung des Raumes nach Hinweisen. Auf kreative und logische Art und Weise müssen die einzelnen Fragmente in Beziehung miteinander gebracht werden, um an die Lösungen zu gelangen. Dabei läuft ab der ersten Minute ein Timer, der, gut für alle sichtbar, die noch zum Lösen verbleibende Zeit angibt. Ist ein Weiterkommen nicht ersichtlich, so kann man sich je nach Regeln, oftmals bis zu drei Hinweise geben lassen. Gelingt der Ausbruch, so wird die Zeit festgehalten und zumeist ein Gewinnerbild erstellt.

Im Anschluss bietet sich vor allem in pädagogischen Zusammenhängen immer eine Reflexion an:

  • „Beschreibt, was euch besonders gut gelungen ist“
  • „Benennt, wie und wo ihr das nächste Mal besser zusammenarbeiten könntet, um das Problem zu lösen“
  • „Beschreibt, wie ihr euch in der Situation XY gefühlt habt“
  • „Skizziert, wie ihr Aufgabe XY gelöst habt“ – „Was hat euch dabei konkret geholfen?“

Daran anknüpfend können folgend die inhaltlichen Aspekte des Abenteuers aufgegriffen werden.

Der Aspekt Gamification

 

Abbildung 1: Gamified UK: Gamification Design Framework Overview

Der Begriff Gamification bezeichnet die Verwendung von Spielprinzipien bzw. Game Designs und deren Elementen sowie Abläufe für Settings, in denen Unterhaltung nicht an erster Stelle steht.  Das sind beispielsweise Punktesysteme, Ranglisten und spielbare Aufgaben. Gamified UK hat ein Toolkit entwickelt, welches bei der Erstellung solcher Settings angewandt werden kann. Grundlage ist das Gamification Design Framework, welches anhand von drei iterativen Phasen: Define (the Problem, the People, and the Success), Design/Build (the Users Journey concerning: behaviours, motivations, mechanics and emotions) und Refine (the full framework), dabei unterstützt ein eigenes Szenario zu erstellen.

Hinweis: In einem früheren Artikel wurde auf das SAMR-Modell hingewiesen. Eine Relation in Bezug auf Gamification lässt sich hier finden.

Didaktische Hintergründe

Escape Games werden zumeist in Gruppen gespielt, sodass Teamarbeit gefragt ist und jede bzw. jeder mit ihren bzw. seinen Begabungen eingebunden werden kann. Dabei lassen sich die Prinzipien des 4K-Modells des Lernens: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken einbinden. Für das Lösen der Rätsel ist neben Wissen auch logisches Denken, Geduld, Fingerspitzengefühl und jede Menge Trial-and-Error erforderlich. Während die einen Hieroglyphen entziffern und übersetzen, suchen die anderen den Raum nach Hilfsmitteln oder weiteren Rätseln ab. Insgesamt werden unter anderem folgende Kompetenzen bzw. Fähigkeiten gefordert bzw. erweitert:

  • Sozialkompetenzen
  • Kommunikationskompetenzen
  • Problemlösefähigkeit
  • Religiöse Wahrnehmungsfähigkeit

Aufgrund dessen, dass die Themen des Escape Games anhand des Lehrplans frei gestaltbar sind, gerade aber Erzählungen einen spannenden Rahmen bieten, gestaltet sich der Einsatz vor allem in bibeldidaktischer und kirchengeschichtsdidaktischer Hinsicht als sehr erfolgsversprechend.

Digitalisierung von Escape Games

Escape Games, zumeist mit Schlössern und Rätseln im Raum versteckt, lassen durch digitale Technologien zum einen neue Aufgabenformate zu; zum anderen erweitern sie den Aktionsraum um eine virtuelle Dimension. Das kommerzielle Spiel „Escape Room Virtual Reality“ zeigt etwa, wie es möglich ist eine VR-Brille einzubinden, um in einem Uboot nach versteckten Rätseln zu suchen.

Für die einfache Gestaltung solcher Abenteuer bieten sich unterschiedliche digitale Tools an, welche Rätsel, Hinweise und digitale „Schlösser“ bereitstellten.

  • In learningapps lassen sich kleine Rätsel erstellen (z.B. zum Kirchenjahr). Über die Funktion „App-Matrix“ lassen sich verschieden erstellte Rätsel bündeln und somit als virtuelle Schlösser nutzen.
  • Ist man in der Lage eine Lernplattform (z.B. Moodle) oder einen Weblog zu nutzen, der H5P-Elemente unterstützt, so kann man über diese ebenfalls verschiedene Rätsel erstellen. Einen Eindruck über die Möglichkeiten erhalten Sie hier.
  • Am einfachsten lassen sich mit QR-Codes oder einem USB-Stick Rätseltexte, -bilder und -videos sowie Hinweise im Raum verteilen.
  • Google-Formulare bzw. Microsoft-Forms für Fragen und Lösungshinweise.

Hier finden Sie ein konkretes Beispiel der Plattform breakoutedu zur Josephsgeschichte

Analoges und digitales Abenteuer wagen!

Egal ob im Klassenzimmer, Gemeinderaum oder in der Kirche – mithilfe digitaler Rätsel und Hinweise gelingt es: Escape Games machen Spaß und sind – gut angeleitet – höchst motivierend.

Damit das Abenteuer auch gelingt, gibt es zahlreiche Unterstützungsangebote im Netz und als Buch. Anbei ein paar Hinweise:

  • Für zurzeit CHF 159.- exkl. MwST lässt sich unter Myescapebox eine Box mit Schlössern und einigen Mustervorschlägen ordern. Ein ähnliches Angebot, für $ 150 bietet BreakoutEDU, welche zusätzlich mit einer digitalen Plattform daherkommt, die es ermöglicht online Escape Games am Browser zu erstellen.
  • Ein bereits fertiges Spiel zum Klimawandel kann hier eingesehen werden.
  • Stefan Schwarz hat ein kurzes und knackiges Handout
  • Alicia Bankhofer zeigt auf ihrem padlet einige digitale Möglichkeiten, einen Breakout zu verwirklichen.


Autor
Jens Palkowitsch-Kühl ist Dekanatsjugendreferent mit dem Schwerpunkt Bildungsarbeit im Ev. Dekanat Aschaffenburg und Referent für digitale Bildung am Religionspädagogischen Zentrum der Evang.-Luth. Kirche in Bayern in Heilsbronn. Darüber hinaus berät er zu Digitalisierungsstrategien und gibt Trainings im Bereich Mediendidaktik, religiöse Bildung und ethische Fragen der Digitalisierung. Er freut sich über Ihren Kontakt über Twitter und XING.

Disclaimer
Dieser Beitrag erschien in unveränderter Form am 20.08.2019 zuerst auf www.reli.ch.

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Jens Palkowitsch-Kühl
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