Anschrift
Universität Luzern
Religionspädagogisches Institut
Frohburgstrasse 3
CH - 6002 Luzern
Kontaktiere uns:
mail@relilab.org
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Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht wird besonders spannend an den Stellen, wo es um mehr als Recherche und Sachwissen geht. Wo etwas erfahrbar wird, das über das Darstell- und Wahrnehmbare hinausragt. Diese Erfahrung habe ich in einer Unterrichtsreihe der Jahrgangsstufe EF zum Thema Ich will frei sein – Identitätssuche zwischen Determination und Freiheit im Religionsunterricht (GY) durch digitale Bildbearbeitung zu realisieren versucht.
Neben Musik und Sprach-Bildern (Metaphern) spielen Bilder im Allgemeinen seit jeher im (Religions-)Unterricht eine zentrale Rolle, da sie Bedeutungen über das sinnlich Wahrnehmbare hinaus enthalten, die in der Begegnung mit ihnen erfahrbar werden können.
In der uns umgebenden Kultur der Digitalität wurden die Produktion, Darstellungsweisen und Wirkungsmöglichkeiten von Bildern grundlegend verändert. Somit muss auch der Einsatz von Bildern im (Religions-)Unterricht sich der Frage Was macht Digitalität mit Bildern? stellen.
In ihrem Beitrag Bilder als Bedeutungsträger betont Viera Pirker den Stellenwert visueller Kommunikation als Bedeutungsträger in Selbst- und Welterzählungen Jugendlicher. Bilder seien polysem, also vieldeutig; und in ihrer Polysemie können sie tiefe Inhalte und emotionale Qualitäten transportieren. […] Sie stellen dar und stellen her, sie können etwas zeigen und auf etwas Anderes verweisen, das nicht für alle erkennbar ist. […] Die Suggestionskraft von Bildern sei immens, und sie wirke auch auf Menschen, die über ein hohes medienkritisches Bewusstsein für Bildbearbeitungssoftware, Werbeteams und professionelle Fotografie verfügen. […] Bilder und Videos werden bearbeitet, verschönert, einem spezifischen visuellen Code unterworfen, mit Text und Adaptierungen ergänzt und in die Welt gesendet. […] Bilder erzeugen eine affirmative Rezeption, d.h. dass sie wahrheitshaltiger wirken als Text: eine gefährliche Verlockung.
Im Rahmen der 3-wöchigen Unterrichtsreihe beschäftigten wir uns zunächst mit eigenen Vorstellungen und Sachtexten zum Thema Freiheit, bevor wir den exemplarischen Bibeltext Lk 15,11-32 (Gleichnis vom barmherzigen Vater) besprachen. Er wurde unter besonderer Berücksichtigung der Darstellung der Hauptfiguren sowie in seiner spezifisch metaphorischen Bedeutung als Gleichnis (Verhältnis Gott-Menschen) intensiv besprochen und problematisiert.
Anschließend wollte ich die Lebenswirklichkeit der Schüler*innen insofern berücksichtigen, indem ich die digitale Bilderwelt, in der sie täglich leben, deren Einfluss- und Wirkmöglichkeiten sie jedoch oft nur rudimentär wahrnehmen, in die Unterrichtsreihe integrierte. Dabei ging es mir nicht um das digitale Bild als Selbstzweck, sondern seine Besonderheit als wirkmächtiges, veränderbares Medium (s.o.) sollte in seinen unterschiedlichen Funktionen ins Blickfeld rücken.
In Partnerarbeit wählten die Schüler*innen zunächst eine ihnen besonders wichtige Aussage des Gleichnisses aus und formulierten deren Relevanz schriftlich. Dazu richtete ich kollaborative Seiten ein, sodass sie ggf. auch asynchron arbeiten konnten.
Dann sollten Sie aus einer kleinen Auswahl an (klassischen) Bildern zum Gleichnis eins auswählen, das – passend zur von ihnen gewählten Aussage – sie besonders anspricht. Alternativ konnten sie sich ebenfalls ein Bild aus dem Netz auswählen.
Dieses Bild sollte mit Hilfe der Fragen zur Bildanalyse (von G. Lange) mindestens 2 Stunden lang besprochen werden. Das schriftlich fixierte Ergebnis (4. Frage) spiegelte die klassische Bildanalyse, wie sie im Religionsunterricht seit langem geläufig ist, wider, ergänzt durch die Möglichkeiten gemeinsamer Arbeit auf der kollaborativen Seite.
Nun wurde es kreativer: Die Schüler*innen bearbeiteten (u.a. übermalten sie, belichteten anders, versahen mit Effekten, schnitten aus, konstruierten neu, usw.) das von ihnen ausgewählte Bild mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen, sodass die ihnen wichtige Textaussage des Gleichnisses deutlicher werden konnte. Vorüberlegungen dazu sollten auf der kollaborativen Seite dokumentiert werden, sodass ich jederzeit Feedback (schriftlich, auditiv, visuell) geben konnte; ebenso war Peer2Peer-Feedback gern gesehen.
Folgende Bildbearbeitungsprogramme schlug ich vor:
Fast allen waren diese Programme unbekannt, sodass sich zunächst einmal eine Einarbeitungsphase, ggf. mithilfe von Tutorials, anschloss. Ebenso konnten andere brauchbare Bearbeitungsprogramme/Apps verwendet werden.
Abschließend sollte in einem zum bearbeiteten Bild gehörigen Text dessen Aussageabsicht erläutert sowie (kurz) der Arbeitsprozess dokumentiert werden.
Nach dem Arbeitsprozess wurden die Original- sowie die überarbeiteten Bilder (inklusive deren Aussageabsichten) dem Kurs vorgestellt.
Zur Veranschaulichung füge ich zwei gelungene Beispiele an:
Originalbild
BEISPIEL 1
Das bearbeitete Bild soll die Aussage, dass Gott einen immer wieder aufnimmt und beschützt, egal in welcher Lebenssituation man sich gerade befindet, verdeutlichen. Dafür haben wir den vorderen Mann, der den jüngeren Sohn darstellen soll, schwarz-weiß bearbeitet. Dies soll die schwierige Lage, in der er sich befindet, widerspiegeln. So wird direkt die Trauer und Verzweiflung des Sohnes sichtbar und der farbliche Kontrast zum hinteren Mann, der Gott symbolisiert, fällt dem Betrachter des Bildes schnell auf.
Um zu zeigen, dass Gott den Menschen wieder aufbaut, stärkt und ihn aus schwierigen Situationen und Fehlentscheidungen herausholt, haben wir einen Teil des Armes vom Sohn farbig gelassen und zwar genau an der Stelle, an der Gott ihn mit seiner Hand festhält. Dies soll die Aussage verstärken, dass er uns aufnimmt und beschützt und uns die Trauer und Verzweiflung wieder nehmen kann.
Gottes positive Ausstrahlung sowie seine Macht und Güte werden durch die Lichtstrahlen, die hinter ihm erscheinen, noch einmal genauer dargestellt. Sie sollen den Einfluss auf uns zeigen.
BEISPIEL 2
Das von uns bearbeitete Bild stellt unsere wichtigste Aussage dar.
Durch die veränderte Belichtung möchten wir die Aufmerksamkeit auf die beiden Personen lenken. Uns war dabei wichtig, dass das Licht aus der Richtung Gottes von oben her leuchtet, um nochmals deutlicher zu betonen, dass Gott uns Halt bietet und wie ein Licht auch in dunklen Tagen für uns da ist und uns auf unserem Weg begleitet, egal wie schwer und dunkel dieser auch sein mag.
Durch die Gestaltung des Mantels mit weichem Futter wollen wir die angenehme Wärme, die Gott uns bietet, besser signalisieren.
Er lässt uns unseren eigenen Weg gehen, empfängt uns jedoch, egal ob wir uns von ihm abwenden oder nicht, mit offenen Armen und so, dass wir uns in seiner Nähe wohlfühlen und er uns Schutz gewährleistet. Er respektiert unsere Entscheidungen, egal wie diese auch sind.
BEARBEITUNG EINES SELBST GEWÄHLTEN BILDES
BEARBEITETES BILD
Unsere Aussage lautet: Die Verbindung zu Gott macht uns frei, eigene Entscheidungen zu treffen. Deshalb haben wir den Pfeiler verkleinert und zentriert. Von ihm ausgehend zeigen Hinweisschilder auf verschiedene Wege in unterschiedliche Richtungen. Sie stehen für die freie Wahl der Wege, die Gott uns ermöglicht. Dabei können wir immer wieder zum Pfeiler zurückkehren, er zeigt uns auch nach einem gewählten Weg neue Möglichkeiten und nimmt uns wie Gott wieder auf. Ebenso haben wir einen neuen Weg (coming soon) hinzugefügt, der für das Unbekannte, das man selbst noch nicht kennt, steht. Dieser Weg erfordert Entscheidungskraft und Willensfreiheit um ihn gehen zu können. Man weiß nicht, was auf einen zukommt und man weiß nicht, ob er einen bereichert oder nicht.
Der Arbeitsprozess im Zeitraffer
Mithilfe einer MS Forms-Umfrage wurden die vorher festgelegten Bewertungskriterien gemeinsam besprochen und bewertet.
Im Anschluss evaluierten wir die Unterrichtsreihe, ebenfalls mit einer MS Forms-Umfrage. Hier die wichtigsten Reflexionen:
Was ich über die klassische Besprechung eines Gleichnisses hinaus gelernt habe:
Erläuterungen und weitere Hinweise für den Unterricht in der Fortbildung!