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Potenziale und Risiken neuer Medien im Religionsunterricht

Die Möglichkeiten der sogenannten neuen Medien sind im unterrichtlichen Kontext vielfältig. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass der mögliche Einsatz neuer Medien sich in drei Kategorien einteilen lässt:

  1. Zur Vorbereitung des Unterrichts
  2. Zur Durchführung des Unterrichts
  3. Als Unterrichtsgegenstand

Auch wenn alle drei Kategorien spannende Potenziale und damit verbunden entsprechende Risiken bergen, soll der Fokus im Folgenden auf der Durchführung des Unterrichts liegen.

Zuvor sollen aber noch die Begriffe „Potenzial“ und „Risiko“ kurz näher beleuchtet werden:

Ein Potenzial bedeutet in diesem Fall immer eine Möglichkeit, deren wahre Ausgestaltung im Rahmen dessen liegt, was die Beteiligten daraus machen. So lassen die nachfolgend vorgestellten Medien unterschiedliche Ausgestaltungen und Ergebnisse zu. Ein Risiko ist demgegenüber auch immer nur ein potenzielles Risiko. Positiver formuliert ist jedes Risiko eine Herausforderung, derer es sich anzunehmen gilt. Weitere Ausführungen hierzu folgen in Artikel zwei dieser Serie.

Potenziale

Potenziale der neuen (digitalen, interaktiven) Medien gibt es nahezu unendlich viele. Um diesem Angebot (Überangebot?) Herr zu werden empfiehlt sich eine Sortierung beziehungsweise Kategorisierung. Im unterrichtlichen Kontext könnten die Medien etwa den klassischen Phasen eines Unterrichts sowie der Vor- und Nachbereitung zugeordnet werden. Einen anderen Vorschlag machen die Professoren Howe und Knutzen. Sie haben 2013 sechs Potenziale definiert, die digitale Medien für Lern- und Arbeitsaufgaben in der gewerblich-technischen Berufsausbildung bieten können. Die Autoren führen in ihrer Expertise jedoch selbst auf, dass die Lern- und Arbeitsaufgaben als didaktisches Schlüsselkonzept nur ein Beispiel ist (vgl. Howe/Knutzen 18), weswegen diese identifizierten Potenziale auch hier angeführt werden sollen. Vorweg wichtig zu betonen ist, dass diese Potenziale nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können und auch gar nicht sollen – Medien bieten dazu viel zu viele Möglichkeiten, als dass sie nur eine der nachfolgenden Kategorien abbilden würden. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass viele Medien/Portale/Angebote/… auch entsprechend umfangreich und mitunter schwer zu durchblicken sind. Eine genaue Auswahl und Einarbeitung von Seiten aller (Lehrkräfte und Schüler*innen) ist also nötig. Dabei kann eine Struktur wie die oben erwähnte helfen:

Grafikerstellung: Elena Gielians

Es wird deutlich, an welchen Punkten neue Medien unterstützend oder ersetzend wirken können. Sie bieten Möglichkeiten, bisher analoge Arbeitsblätter, Bücher, Zeichnungen usw. digital zu ersetzen und zur Verfügung zu stellen. So können Schüler*innen wie Lehrkräfte auch zeit- und ortsunabhängig darauf zugreifen (vgl. Howe/Knutzen 20). Bei Lehr-Lern-Plattformen können auch alle Beteiligte entsprechendes Material und Medien zur Verfügung stellen – diese Formulierung macht außerdem deutlich: das Material ist nicht mehr allein auf Druckbares beschränkt, auch interaktive Medien können ergänzt werden (vgl. ebd., S. 21). Medien können beispielsweise Visualisierungen sein. Eine Visualisierung von Inhalten ist de facto keine neue Erfindung im Bildungsbereich. Sie bietet die Möglichkeit, authentische Einblicke zu bieten, die die Schüler*innen anders womöglich nicht erreichen würden. Neu sind aber Simulationen, gerade im VR- und AR-Bereich. Hierbei werden die Schüler*innen nun aus der rezipierenden Rolle in eine interaktive katapultiert.  (vgl. ebd., S. 23) Grundsätzlich bleibt der Religionsunterricht aber weiterhin ein dialogorientierter Unterricht, weswegen der Kommunikation und Kooperation eine entsprechend wichtige Funktion zukommt. Doch auch hier können neue Medien unterstützend wirken: in Form von Foren, Wikis, Blogs oder Cloud-Lösungen. (vgl. ebd., S. 25f.) Dadurch wird eine (gemeinsame) Bearbeitung auch über die Grenzen der Unterrichtsstunden hinaus möglich. Die Vielzahl der Medien, die nun eingesetzt werden (können), sollten sinnvollerweise strukturiert werden. Verschiedene Tools bieten die Möglichkeit, Informationen und Dateien zu sammeln, zu strukturieren, zu vernetzen, zu verschlagworten, zu bewerten… So lässt sich ein und dasselbe Dokument auch in unterschiedlichen Lernkontexten wieder aufgreifen (vgl. ebd., S. 28f.). Neben den Unterrichtsinhalten ist Teil einer Lernsituation immer auch das Diagnostizieren und Testen – mediengestützte Begutachtungen bieten dabei Möglichkeiten, die im Lernprozess an unterschiedlichen Stellen Sinn machen: Zunächst die „Feststellung von individuellen Voraussetzungen“ (Howe/Knutzen 31), dann die „kontinuierliche Erhebung des Leistungsstands“ (ebd.) im Lernprozess und abschließend die Beurteilung des Lernerfolges. (vgl. ebd.) Eine weitere Möglichkeit bieten Classroom Repsonse Systeme, die eine kollektive und zugleich anonyme Rückmeldung der Schüler*innen an die Lehrkräfte bieten. (vgl. ebd.) Eine solche Rückmeldung bietet eine Reflexionsmöglichkeit für die Lehrkräfte, wie es die kontinuierliche Bewertung des für die Schüler*innen tut. Diese Reflexion ist gerade bei Aufgaben, die auf Kompetenzförderung ausgelegt sind, ein elementarer Bestandteil.

Es soll nun keineswegs in Abrede gestellt werden, dass auch „alte“, herkömmliche Medien, wie gedruckte Arbeitsblätter oder ähnliches die oben ausgeführten Möglichkeiten zur Unterstützung des Unterrichtes zumindest zu Teilen bieten können. Doch eine Lehrkraft muss sich im Klaren darüber sein, dass die neuen Medien im Alltag ihrer Schüler*innen ohnehin allgegenwärtig sind und wenn ein Unterricht schüler*innenzentriert sein soll und einen Alltags-/Lebensweltbezug haben soll, dann sollte er sich die Potenziale all dieser Tools zunutze machen.

Worüber sich die Lehrkraft im Vorfeld des Einsatzes der oben aufgeführten Medien und Tools Gedanken machen muss ist die Rollenverteilung: Ist sie allein in der Rolle des Admins in einem Forum/Wiki/Blog/…? Sind alle Schüler*innen „nur“ Nutzer? Oder werden bestimmte Schüler*innen auch zu Moderator*innen oder Admins ernannt? (Dass die Lehrkraft selbst auf diese Rolle verzichtet ist allein aus technischen Gründen wenig sinnvoll.)

Eine solche Entscheidung ist sicher immer sehr individuell. Es muss abgewogen werden, ob die Schüler*innen als Moderator*innen oder Admins tatsächlich eine Unterstützung leisten, oder aber ihre neuen Rollen ausnutzen.

Wird den Schüler*innen diese Verantwortung tatsächlich zugetraut, ist dies sicherlich auch motivationsförderlich und macht deutlich, dass Schüler*innen und Lehrkraft gemeinsam arbeiten. Wie in den vielen kooperativen und offenen Unterrichtskonzepten, verlässt die Lehrkraft ihren althergebrachten Platz vor der Tafel, das Setting „Frontalunterricht“ findet nicht mehr statt und stattdessen arbeiten die Schüler*innen selbstständig und eigenverantwortlich, während die Lehrkraft als Lernbegleitung agiert und im Bedarfsfall unterstützend eingreift. Dies ist für viele innerhalb und außerhalb des Schulkosmos sicherlich eine wünschenswerte Entwicklung – sowohl diese Arbeitsweise als auch der Einsatz der Medien. Dennoch möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen für all diejenigen, die mit Klassen arbeiten, in denen dies aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist: Ein Unterricht wird nicht automatisch besser, wenn er wie digital stattfindet. Auch ein analoger Unterricht im klassischen Reihen- oder U-Form-Setting, mit vorausgegangener Einzelarbeit auf einem papiernen Arbeitsblatt kann fruchtbare Diskussionen erzeugen, den Schüler*innen Spaß machen und sie in ihrem eigenen Werdegang voranbringen. Das sollte bei all den medialen Möglichkeiten nie vergessen werden: Das persönliche Gespräch und der gemeinsame Austausch können niemals ersetzt werden. Die Medien können die Dialogorientierung des Unterrichts „nur“ unterstützen – dies aber sehr gewinnbringend!

Literaturnachweis

Howe, Falk / Knutzen, Sönke (2013): Digitale Medien in der gewerblich-technischen Berufsausbildung. Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien in Lern- und Arbeitsaufgaben. Im Auftrag des Bundesinstituts für Berufsbildung. Bonn. http://www.bibb.de/dokumente/pdf/Expertise_Howe_Knutzen.pdf


Autorin
Elena Gielians ist Lehrerin an einer berufsbildenden Schule in Hildesheim, Niedersachsen. Sie unterrichtet in der Fachrichtung Druck-/Medientechnik und im Fach Religion. Sie setzt sich für eine Stärkung des Religionsunterrichtes im berufsbildenden Bereich ein und ist daneben (u.a.) an den Themen Bildung, Medien, Digitalisierung und Feminismus interessiert. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied der VER Niedersachsen.
Twitter: https://twitter.com/Helmutsdottir
Blog: https://helmutsdottir.blog

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CC BY-SA 4.0 Elena Gielians | www.lehren-und-lernen.ch

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Elena Gielians
Elena Gielians

👩🏼‍🏫 Berufsschullehrerin für Drucktechnik, Mediengestaltung und ev. Religion. 👩🏼‍🎨👩🏼‍💻 Freie Grafikerin. 👩🏼‍💼 Referentin.