Anschrift
Universität Luzern
Religionspädagogisches Institut
Frohburgstrasse 3
CH - 6002 Luzern
Kontaktiere uns:
mail@relilab.org
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Alle sprechen von der Digitalisierung: Der Bankensektor nutzt auf Algorithmen basierende Systeme, der Gesundheitssektor setzt auf die elektronische Gesundheitsakte, kleine- und mittelständische Unternehmen möchten endlich(!) einen schnellen Glasfaseranschluss und der Bildungssektor spricht – zumindest in Deutschland – vom Digitalpakt. Doch wie positionieren sich die Fachdidaktiken? Wie die Religionspädagogik angesichts der Digitalisierungsprozesse?
Digitale Kommunikationsräume sind schon lange kein Phänomen einzelner Nerds mehr, die sich vor ihren Computern in dunklen Kellern sitzend, den Raum erleuchtet von ihren Monitoren, in Chatrooms austauschen.
Heute sehen wir die Reflexionen der Hintergrundbeleuchtungen in den allermeisten Gesichtern, denen wir im Alltag begegnen. Denn mobile Endgeräte, zumeist Smartphones, beherrschen das Landschaftsbild, in dem wir uns bewegen. Weniger Status und Prestige, sondern vielmehr Pflicht und gefühlte Notwendigkeit, führen dazu, ein modernes Kommunikationsgerät mit sich zu führen. Als „Life Companion“ bedient es wesentliche Bedürfnisse u.a. nach Kommunikation, Unterhaltung und Information unseres Menschseins. Durch seine aktuelle Stellung und Funktionen ist das Smartphone in seiner Handhabung ein Sinnbild für die wechselseitigen Veränderungsprozessen von Kultur und Medien unserer Zeit.
Es existiert kaum ein Bereich des alltäglichen Lebens, der nicht von digitalen Kommunikationsprozessen geprägt ist. Computerunterstützte Kommunikation ist sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext zum Standard geworden.
Diese in bestehende soziale Begegnungsprozesse eindringenden „neuen“ Kommunikationsformen wirken sich sichtbar auf die kulturelle Praxis aus. Das Smartphone etwa, wird aktuell zum zentralen Kommunikationsgerät und bestimmt durch seine Funktionen die Form der Begegnung wesentlich mit. Keinesfalls ist dieser Prozess ein grundsätzlicher Neuer. Vielmehr durchdringen Kommunikationsformen Kultur bereits seit jeher in unterschiedlicher zeitlicher, räumlicher und sozialer Perspektive (z.B. der Buchdruck). Medien sind an der Herstellung und Weiterentwicklung von Kultur wesentlich beteiligt (vgl. Krotz 2012, 44.).
Das besondere an der Digitalisierung – und damit verbunden den digital-vernetzten Medien – ist, dass die Auswirkungen in ihrer Bandbreite unvorstellbar weit gefasst sind. Dabei laufen im Hintergrund Prozesse ab, die sich in verborgenen „Black Boxen“ vollziehen. Nur mit fundiertem Expertenwissen kann es gelingen, diese Prozesse (u.a. Big Data, Algorithmen und Artificial Intelligence) zu durchschauen.
Religion als wesentlicher Bestandteil von Kultur ist gegenüber diesen Veränderungsprozessen nicht als autark anzusehen, sondern stellt sich diesen Prozessen gegenüber immer wieder neu ein. Religion bedient sich dabei neuer Kommunikationsformen und kreiert daraus eigene Wege der Verkündigung (z.B. Segensroboter).
Religion(en) partizipieren somit an diesen Prozessen auf zumindest zweierlei Weise: sie werden von Akteurinnen und Akteuren selbst digital (re)produziert und sie stellen eine – zumeist normativ geprägte – kritische Reflexionsdimension hinsichtlich dieser gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen dar. So gesehen sind sie zugleich Bestandteil und reflexive Perspektive digitaler Prozesse im Horizont von Kultur und Gesellschaft.
Ein religionspädagogischer Ansatz dies zu fassen, stellt die Religionspädagogik in einer mediatisierten Welt (Nord und Zipernovszky, 2017) dar. Die Leitlinien dieser Perspektive sind in drei Ebenen zu fassen:
Es gilt demnach in einer solchen religionspädagogischen Akzentuierung die wechselseitigen Veränderungsprozesse von aktuell digitalen Kommunikationsformen und religiöser Kultur wahrzunehmen und zu deuten. Denn zum einen führt „[j]edes Medium […] eine spezifische kommunikative Wirkung mit sich und vermittelt auf diese Weise sozusagen ein bestimmtes Bild von Religion(en).“ (Nord, 2017, 33) und zum anderen birgt religiöse Kultur das Potential auf Medien einzuwirken (vgl. u.a. das Bilderverbot im Islam).
Dabei schließt sich eine Religionspädagogik in einer mediatisierten Welt in ihren handlungsorientierten Auswirkungen den Prämissen allgemeiner Medienpädagogik an Schulen an. Sie soll nicht selbst mit traditionellen Inhalten wettstreiten, sondern bereits immer schon dagewesene, genuin theologische Themen zeitgemäß identifizieren und präsentieren: „Bei der Lehrerbildung insgesamt sollte deutlich werden, dass die Medienpädagogik nicht als konkurrierender Bereich neben anderen fächerübergreifenden Aufgaben der Schule steht, z.B. neben der Friedens- und Umwelterziehung, sondern eine grundlegende Voraussetzung für diese in dem Sinne darstellt, dass die Vorstellung, z.B. zu Frieden und Umwelt, die Kinder- und Jugendlichen in der Schule mitbringen, immer schon durch die Medien mitbedingt sind.“ (Tulodziecki, Grafe und Herzig, 2010, 365). Was hier für die Lehrerbildung proklamiert wird, kann im übertragenen Sinne ebenfalls für die außerschulische religiöse Bildungsarbeit Relevanz entwickeln. Insbesondere Pirner (2018) bekräftigt für die religionspädagogische Arbeit den Aspekt der Medienbildung, der „generell immer mitberücksichtigt werden [sollte], denn: Es gibt keine religiöse Bildung ohne Medien (in einem weiten Sinn).“
Fragestellungen einer derartig geprägten religionspädagogischen Perspektive könnten wie folgt lauten:
Diese Fragehorizonte sind bewusst offen gestaltet, marginal exploriert und laden daher zum Ausprobieren ein. Lernen in diesem religionspädagogischen Kontext bedeutet Pionierarbeit zu leisten. Zum einen zeigt sich dies darin digitale Tools mitzugestalten (z.B. Virtuelle Glaubensräume gestalten, eigene digitale Botschaften erstellen…), zu testen und zu reflektieren und zum anderen darin Digitalisierungsprozesse unter christlichen und ethischen Gesichtspunkten zu reflektieren sowie ggf. zu beurteilen (z.B. Segensroboter (vgl. Löffler, Hurtienne & Nord 2019), virtuelle Friedhofskultur (vgl. Klie & Nord 2015), Computerspiele (vgl. Palkowitsch-Kühl, 2016, 2018a).
Sich auf den Weg dieses religionspädagogischen Ansatzes zu begeben, bedeutet, sich selbst für einen zukunfts- und lebensweltorientierten Religionsunterricht zu rüsten: fachwissenschaftlich, fachdidaktisch und methodisch (vgl. Palkowitsch-Kühl, 2018b). Darüber hinaus stellt eine Grundausrüstung an technischer Ausstattung in Form eines Tablets, Laptops oder Smartphone eine Minimalausstattung dar.
Die in den kommenden Monaten erscheinenden Fachbeiträge laden ein, sich an dieser Pionierarbeit zu beteiligen, indem digitale Werkzeuge aufgezeigt und auf ihr religionspädagogisches Potenzial hin analysiert und reflektiert werden.
Im Horizont dieser gemeinsamen Erkundungen, werden unter anderem erweiterte Realitäten (AR) betreten, der Weg aus Escape Rooms gesucht, digitale Quizze gemeistert, Geschichten in multimedialen eBooks erzählt und virtuelle Welten (VR) gestaltet.
Hier finden Sie weiteres Material zum Thema.
Weiterführende Literatur:
CC BY-SA 4.0 Jens Palkowitsch-Kühl | relilab.org
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