Wie können Grundprinzipien und Methoden der Kirchen(raum)pädagogik mit digitalen Möglichkeiten erweitert, ergänzt und bereichert werden?
Wie können Kinder und Jugendliche, Schüler*innen und interessierte Erwachsene Kirchenräume auf digitalen und analogen Wegen erschliessen?
Wie können solche Erkundungen vorbereitet und begleitet werden?
Diese Fragen sollen im ökumenischen Modul Kirchen(raum)pädagogik im Raum stehen. Die Bearbeitenden können Antworten für die eigenen Lerngruppe und das Lernsetting vor Ort erarbeiten.
1: Grundanliegen der Kirchen(raum)pädagogik
Die Idee der Kirchen(raum)pädagogik ist grundsätzlich, die Sinngehalte von Kirchenräumen einer religiös und weltanschaulich pluralen Gesellschaft erfahrungsorientiert nahe zu bringen; der Kirchenraum soll dabei als «Glaubensaussage» erfahren und deutbar werden. In diesem Sinne zielt Kirchen(raum)pädagogik auf eine inszenierte, persönliche Begegnung ab. Sie richtet sich dabei an alle Altersstufen.
Von einer historisch-architektur-/kunstwissenschaftlichen Kirchenführung unterscheidet sie sich insofern, als sie auf die sinngebende Rolle unterschiedlicher Orte und Gegenstände für das «Heilige Spiel» im Kirchenraum eingeht und dazu die Wahrnehmenden in Beziehung setzt. In der evangelischen bzw. reformierten Tradition und in der katholischen Tradition unterscheidet sich die idealtypische Bedeutung des Raums:
katholisch
reformiert
Heiligkeit des Raums
Theologie des Exils
Weihe
«Alltagsraum für Leid und Freud»
heilige Räume
geheiligte Räume
…
…
Dieser Unterschied spiegelt sich in den Begriffen Kirchenraumpädagogik (eher katholisch verwendet) und Kirchenpädagogik (eher auf evangelischer Seite verwendet), vgl. dazu Boehme 2020, https://doi.org/10.23768/wirelex.KirchenraumpdagogikKirchenpdagogik.200823. Im ökumenischen Projekt innerhalb des relilabs verwenden wir bewusst den Begriff Kirchen(raum)pädagogik.
Für die Erschliessung eines Kirchenraums und zur Ermöglichung einer persönlichen Begegnung, haben sich folgende didaktische Prinzipien bewährt:
von aussen nach innen
das tun, was dorthin gehört
Ganzheitlichkeit
von Empfindungen und Erlebnissen zu Erfahrungen
Aneignung statt Vermittlung
Verlangsamung
Vgl. dazu unter anderem:
Bucher, Anton A. et al. (Hg.): «Kirchen sind ziemlich christlich». Erlebnisse und Deutungen von Kindern. Jahrbuch für Kindertheologie Band 4. Stuttgart 2005.
Rupp, Hartmut (Hg.): Handbuch der Kirchenpädagogik. Band 1: Kirchenräume wahrnehmen, deuten und erschließen. Stuttgart 32016.
Ders. (Hg.): Handbuch der Kirchenpädagogik. Band 2: Baustile wahrnehmen – Zielgruppen beachten – Methoden anwenden. Stuttgart 2017.
2: Digitale Möglichkeiten und Kirchen(raum)pädagogik
Intention
Das Modul möchte den Blick schärfen, die erfahrungsorientierte Kirchen(raum)pädagogik in die digitale Sphäre zu transferieren und sie auf diesem Weg auch in Lernsettings ohne unmittelbaren Zugang zu einem Kirchenraum erlebbar zu machen. Um den zentralen kirchenraumpädagogische Dreischritt «Wahrnehmen, Verstehen, Aneignen» auch digital gewährleisten zu können, haben wir bei den Beispielen möglichst viele Sinne aktiviert (360°-Fotos, um das freie Umsehen in einem Raum zu simulieren, Höreindrücke durch begleitende Audio-Dateien, Fotos des Umfelds des Kirchenraums, …). Je nach Lehr-/Lernsetting (siehe im Anschluss) können Medien zur Erweiterung und Stärkung des Erfahrungsaspekts auch gemeinsam mit den Lernenden erarbeitet und vorbereitet werden; z.B. durch die Vorbereitung einer Materialkiste, die die «Düfte» eines Kirchenraums erzeugt (nur kath. Kirche: Weihrauch, Kerzen …) oder haptische Erfahrungen ermöglicht (z. B. poröser, kühler Stein; abgegriffenes Holz).Festzuhalten ist, dass ein digitaler Zugang nicht alle Erfahrungsaspekte einer kirchenraumpädagogischen Führung abdecken kann. Wenn es aber gelingt – und darauf zielt das Modul ab -, Bewusstsein für die besondere Sinngrundierung des Raumes zu schaffen und erste Hinweise für seine Erfahrung zu geben, die dann selbsttätig in einem Kirchenraum oder an einem kirchlichen Ort individuell vertieft werden können – dann ist bereits sehr viel erreicht.
Didaktisches Setting
Es sind zwei Herangehensweisen denkbar: Digitale Kirchen(raum)pädagogik für eine spezifische Gruppe – Lehrpersonen oder andere Bildungsverantwortliche erstellen für eine bestimmte Zielgruppe digitales Material, das Teilnehmenden der Lerngruppe die virtuelle Erkundung des Kirchenraums ermöglicht. Religionsklassen, Firm- oder Konfirmationsgruppen oder andere Interessierte können auf diese Weise Kirchenräume erschliessen. Im Schuljahr 2022/23 und 2023/24 haben die Projektbeteiligten für das Modul verschiedene Kirchenräume in der Schweiz digitalisiert. Rundgänge sind unter kirchenraum.ch verfügbar. Alle Modulabsolventen sind eingeladen, ihre Ergebnisse für die Publikation auf kirchenraum.ch zur Verfügung zu stellen. Die Seite kann dann einen kleinen Eindruck von der Vielfalt der Kirchenräume geben.
Digitale Kirchen(raum)pädagogik mit einer spezifischen Gruppe – hier erstellt eine Lehrperson oder andere Bildungsverantwortliche gemeinsam mit einer Gruppe eine kirchenraumpädagogische Führung für andere. Der Fokus liegt darauf, die Erfahrungsorientierung der Kirchenraumpädagogik als Anlass für die individuelle Reflexion und so für einen verstärkten Lernprozess zu nutzen («Was macht einen bestimmten Ort für mich «heilig» — und wie kann ich das vermitteln? „Welche Details wählen wir aus?“ „Welches Raumgefühl möchten wir transportieren?“…. Die von der Projektgruppe erstellten Beispielführungen können hier als Ausgangspunkt für die Konzeptionsphase der Gruppe genutzt werden. Sie sind unter kirchenraum.ch verfügbar.
Auch die Kombination der beiden Herangehensweisen ist denkbar.
3: Auf dem Weg zum eigenen Projekt
Auf dem Weg zum eigenen Projekt sollten vier Schritte berücksichtigt werden:
Analyse des Vorhabens bezüglich Kirchenraum, Zielgruppe und Ziele
Didaktische und methodische Entscheidungen treffen
Projektverlauf planen
Technische Umsetzung (exemplarisch)
Analyseschritte: Kirchenraum, Zielgruppe und Ziele
Kirchenraum im Fokus: Mit dem Kirchenraum ins Gespräch kommen
Kirchen(raum)pädagogik lässt sich definieren als Anliegen, den „Sinngehalt christlicher Kirchenräume verschiedensten Adressatengruppen unterschiedlichen Alters ganzheitlich mit erfahrungsorientierten Methoden nahe zu bringen.“[1] Entstanden ist diese spezifische Form der Pädagogik als Antwort auf die nachlassenden Fähigkeiten, einen christlichen Kirchenraum entziffern, also die Grammatik seiner Ausstattung, seine architektonische Tiefenstruktur und den Rhythmus der Raumgliederung deuten zu können. Doch das ist nur die eine, vor allem kognitive Entwicklungsprozesse ansprechende Seite der Kirchen(raum)pädagogik. Die Begriffe „ganzheitlich“ und „erfahrungsorientiert“ verweisen als Platzhalter auf die andere, die emotional-affektive Zielsetzung der Kirchen(raum)pädagogik. An ihrem Ausgangspunkt steht, dass Kirchenräume nicht nur irgendwie architektonisch oder kunstgeschichtlich interessante Orte sind (die mit Sachverstand gedeutet werden können), sondern … ja, was sind Kirchenräume eigentlich genau für Orte?
Diese Frage lässt sich pauschal, konfessionsübergreifend und vor allem auch in Bezug auf das Erleben der Menschen gar nicht in eine normativ gültige Definition fassen. Ein soziologisch informierter Standpunkt könnte sein, dass Kirchenräume Orte sind, die sich von ihrer qualitativen Differenzzu sonstigen Aufenthaltsräumen her bestimmen lassen. Damit liesse sich gut auf den Punkt bringen, dass Kirchenräume eigentlich zweckfreie Räume sind, wenn man an sie den Massstäben der ökonomischen Alltagslogik misst. Kirchenräume sind weder zum Leben und Wohnen gedacht, sie sind (ausser für das Pastoralteam!) auch kein Arbeitsort, und noch weniger sind sie ein Freizeitort wie ein Park oder ein Badi. Ein anderer Standpunkt würde dagegen einwenden, dass ein Kirchenraum für viele Menschen beinahe den Charakter eines „Wohnzimmers“ hat – ihnen also so „nahe“ ist, dass er nichts anderes als eine Verlängerung ihres Privatbereichs ist. Jedenfalls wäre er kein Ort, der irgendeiner Sakralisierung bedürfte, um für das Leben des Glaubens irgendwie wichtig zu sein. Wieder andere Standpunkte würden den Kirchenraum als Ort eines „Heiligen Spiels“ verstehen – der ermöglicht (neben anderen Orten!), dass Menschen sich an ihm um ihrer selbst willen versammeln können, zweckfrei-unproduktiv und gerade darin zutiefst sinnvoll.
Dem Widerhall dieser und weiterer Standpunkte am eigenen Leib und mit der eigenen Biographie nachzuspüren, das ist das zweite, wahrscheinlich sogar relevantere Anliegen der Kirchen(raum)pädagogik neben der Wissensvermittlung. Sie stellt den Kirchenraum als Ort für den Austausch über eigene und fremde Sehnsüchte, (Glaubens-)Verständnisse, Körperempfindungen, emotionale Raumbindungen usw. in den Mittelpunkt. Sie vertritt damit einen recht hohen Anspruch, nämlich durch kognitive und zugleich durch affektive Prozesse Zugänge zum „Eigentlichen“ des Kirchenraums erlebbar zu machen und für die eigene Biographie fruchtbar werden zu lassen.
Es ist nun aber genau dieses Anliegen und dieser Anspruch, der das Vorhaben einer explizit digitalen Erschliessung von Kirchenräumen zunächst kritisch anfragen lässt. Denn, so lässt sich fragen: Wie und mit welcher Herangehensweise kann es möglich sein, das Kriterium der „Ganzheitlichkeit“ und der „Erfahrungsorientierung“ durch ein digitales Medium einzulösen? Lässt sich dies (allein) durch den Seh- und Hörsinn sowie durch intellektuelle Verstandesleistungen erreichen? Die Frage kann wohl nicht allgemeingültig beantwortet werden. Ob das Vorhaben gelingt, hängt dagegen von vielen Faktoren ab; nicht zuletzt von der Zielgruppe und den eingesetzten Methoden; sicherlich vor allem aber auch vom Kirchenraum, der digital kirchen(raum)pädagogisch erschlossen werden soll. Im Folgenden werden einige Grundsatzüberlegungen vorgestellt, die bei der Planung und Umsetzung zu berücksichtigen sind, um kognitive und affektiven Erfahrungsorientierung im Sinne der Kirchen(raum)pädagogik auch in der digitalen Sphäre zu berücksichtigen.
Sich dem Raum aussetzen Im Vorfeld der Planung einer digitalen Umsetzung[2] gilt es, den Kirchenraum in seiner Einzigartigkeit auf sich wirken zu lassen, sich von ihm inspirieren zu lassen. Das betrifft die Wahrnehmung seiner Architektur wie seine Wirkung auf Körper und Seele. So weist ein Kirchenraum meist unterschiedliche Achsen auf, die sich an bestimmten „Stärke“-Punkten oder „Kraftorten“ treffen. Je nach Lichtsituation wird ein Raum unterschiedlich wirken, wird er seine Ausstattung unterschiedlich präsentieren. Es gilt auch darauf zu achten, welche Elemente typisch für den Raum sind, was seine „Sakralität“ unterstreicht und was ihn spannend und einzigartig oder umgekehrt langweilig werden lässt. Wie mit einer Person, die man später porträtieren soll, braucht es auch beim Kirchenraum eine Form der Beziehung, der Vertrautheit und Verbundenheit. Die Begeisterung (oder auch die Ablehnung!) wird man später bei der digitalen Umsetzung mindestens unbewusst sehr deutlich fühlen. Übrigens ist es auch sehr hilfreich, die Einbettung des Kirchenraumes in seinem Umfeld zu analysieren. Ist dieser Teil eines grösseren Ensembles, möglicherweise sogar nur in diesem zu „verstehen“ (das gilt etwa für viele Gemeindezentren, die in den 1960er und 1970er Jahren gebaut worden sind)? Dann wären auch diese Ensembles in diese Vorbereitungsphase einzubeziehen. Ein letzter, wichtiger Punkt hierbei: Bei der eigenen Vorbereitung auch wahrnehmen und überlegen, was am vorliegenden Kirchenraum für die Menschen generell sympathisch wirkt, was eine Atmosphäre des „Wohlseins“ und des „Eingeladen-Seins“ befördert: Ist es der Altar aus schlichtem Holz oder die Kirchenbänke, die eine besondere Gestaltung aufweisen? Sind es die bunten Glasfenster, die Lichtpunkte im Raum tanzen lassen? Ist es der Duft des Weihrauchs oder vielleicht die Kühle, die einen Aufenthalt im Sommer erstrebenswert werden lässt?
Was ist sichtbar – was ist unsichtbar? Auf die Atmosphäre eines Raumes ist die Sprache bereits gekommen. Doch Kirchenräume haben mehr als nur eine „Atmosphäre“; ihre qualitative Differenz zeigt sich vielmehr darin, dass sie als Raum zugleich auf den Nicht-Raum, die Transzendenz verweisen. Kirchenräume sind, paradox gesprochen, Orte, die einen Nicht-Ort markieren. In den christlichen Kirchen geschieht dies aber zugleich mit dem Anspruch, das Erleben dieses Paradoxons nicht einem Hohenpriester allein zuzugestehen, sondern der ganzen Gemeinde. Dies Besonderheit bringt für die digitale Erschliessung eines Kirchenraumes einen eigenen Aufgabenbereich mit sich: Die Spannung aus Transzendenz und säkularer Welt, aus Geheimnis und zugleich Transparenz, aus Gemeinschaft und Individualität – wie lässt sich dies darstellen? Hier wird es sicher für jeden Kirchenraum eine eigene Lösung benötigen, die sich beispielsweise durch unterschiedliche Brennweiten (=Zoomfaktoren) bei Fotografien, besonderen Standpunkten für ein 360°-Video, Detailaufnahmen des Inventars, usw. erarbeiten lässt. Oder auch durch ein Auge für die „Übergänge“ zwischen Alltagswelt und transzendenter Welt, die sich in Kirchenräumen häufig finden lassen. Wenn z.B. vor dem prunkenden, blattgoldornamentierten Barockaltar ein Aufsteller mit leicht vergilbten Kirchenführern steht. Wenn am Opferstock mit TWINT bezahlt werden kann, usw. Wichtig ist jedenfalls bei der Planung, dass der Punkt der fundamentalen Paradoxalität des Kirchenraums eine besondere Berücksichtigung findet.
Der Kirchenraum in seinem historischen Gewordensein In diese eher grundsätzlichen Fragen hinein spielt auch das Wissen um die Geschichte des je spezifischen Kirchenbaus. In welcher Zeit ist er entstanden, in welcher historischen Situation? Lassen sich bestimmte Ausstattungsmerkmale mit dieser Geschichte verbinden (z.B. Chorgestühl in einer Klosterkirche, die besondere Zwecksetzung einer reformierten Querkirche, die Kanzel in einer Predigerkirche …)? Was braucht es, um Aussenstehenden das Individuell-Einmalige der Kirche nahe zu bringen, sie für die Geschichte und Gegenwart zu begeistern?
Nach der Erschliessung des Kirchenraums und der (Neu-) Entdeckung seiner Besonderheiten, gilt es für die Lehrperson bzw. die Initiatoren der Bildungsprozesse die Zielgruppe und die Ziele in den Blick zu nehmen.
Zielgruppe im Fokus
Voraussetzungen der Lerngruppe
Das Gelingen eines Lernprozesses hängt massgeblich davon ab, wie und ob die Lernenden neue Informationen und Erfahrungen mit bereits vorhandenem Wissen und Kompetenzen verknüpfen können. Der höchste Lernerfolg ist dann zu erwarten, wenn zu lösende Aufgaben als machbare Herausforderung wahrgenommen werden. Denn wenn Aufgabenstellungen einerseits motivieren, Spannung erzeugen, Interesse wecken, den menschlichen Spieldrang wecken etc. und andererseits auf bereits erworbenem Wissen, auf Fähigkeiten und auf Fertigkeiten aufbauen, dann gelingt Lernen.
Um Aufgaben und Impulse passgenau stellen zu können, muss die Lehrperson im Vorfeld folgende Fragen klären:
Welches Vorwissen und welche Vorurteile bringen die Lernenden zu Kirchenräumen allgemein mit? Welche Rolle haben Kirchenräume in der Lebenswelt der Lernenden?
Welche Vorerfahrungen bringen sie speziell in Bezug auf den ausgewählten Kirchenräume mit?
Wie ist die Gruppendynamik? Würde ein gemeinsames Projekt die Zusammenarbeit fördern oder gibt es Herausforderungen, die zu berücksichtigen sind?
Diese Fragen können auf zwei Wegen erhoben werden, die idealerweise ineinandergreifen:
a) mit Hilfe einer Lerngruppenanalyse[3] und b) mit Hilfe von Begegnungsaufgaben, die zu Beginn des Lernprozesses Ressourcen aktivieren und den Ausgangspunkt des Lernprozesses sowohl für die Lernenden als auch die Lehrenden sichtbar werden lassen. Verschiedene Lernprozessmodelle stellen solche Aufgaben an den Anfang (vgl. BEIZ https://padlet.com/Fachstelle_REP/neuer-lehrplan-religionsunterricht-ucyf6vlgychatex/wish/1464004723, LUKAS https://www.phlu.ch/2566 oder das hessische Modell https://kultusministerium.hessen.de/infomaterial/Auf-dem-Weg-zum-kompetenzorientierten-Unterricht-Lehr-und-Lernprozesse-gestalten).
Zusammensetzung der Lerngruppe
Sowohl die Lerngruppenanalyse als auch die Ergebnisse der Begegnungsaufgaben geben einen Eindruck bzgl. der Heterogenität der Gruppe. Diese Vielfalt kann grundsätzlich bestehen (unterschiedliche Altersstufen, unterschiedliche Vorerfahrungen, unterschiedliche Fähigkeiten und Interessen) oder speziell in Blick auf den ausgewählten Kirchenraum (verschiedene Konfessionen, unterschiedlicher Grad an religiöser Sozialisation und Einbindung in die Kirchgemeinde oder Pfarrei). Es gilt abzuwägen, ob aufgrund der Heterogenität der Lernenden differenzierte Aufgabenstellungen und Lernwege (wie kooperative Lernformen) zum Einsatz gebracht werden.
Ziele und Absichten im Fokus
Grösserer Rahmen: Im Religionsunterricht und eventuell auch im Konfirmations- und Firmunterricht ist zu klären, welche übergeordneten Kompetenzen und Ziele der jeweilige Lehrplan vorgibt. Ist das Lernen mit und im Kirchenraum geeignet, um den Erwerb dieser Kompetenzen anzubahnen? Welche Teilkompetenzen und welche Lerndimensionen können mit welchen Lernschritten des Kirchen(raum)projekts erreicht werden? Was möchte ich erreichen? Geht es mir primär um Wissensvermittlung, Reflexion, aktive Beteiligung der Lernenden, oder eine Kombination dieser Aspekte? Welche Ergebnisse erwarte ich?
Konsequenzen für Umfang und Aufbau der Lerneinheit: Welchen Stellenwert hat die konkrete Arbeit mit und im Kirchenraum? Deckt diese die Erarbeitung einer gesamten Teilkompetenz ab oder ist exemplarisches Arbeiten möglich und die Arbeit im Kirchenraum nimmt damit einen grösseren Raum in der Jahresplanung ein? Oder dient dieser Lernweg zur Erarbeitung eines einzelnen Aspektes und ist deshalb für weniger Stunden oder Lektionen konzipiert?
Konkrete Zielsetzung für die Gruppe
In einem nächsten Schritt gilt es – aufgrund der Besonderheiten der Zielgruppe (vgl. 1) und aufgrund grundsätzlicher Ziele (vgl. 2) konkrete Zielsetzungen für die konkrete Gruppe zu definieren, die mit Hilfe des Projekts erreicht werden sollen. Es hat sich bewährt die Zieleerreichung konkret zu formulieren (Die Lernenden sollen xy können) und (je nach Altersstufe) auch die Lernenden einzubeziehen.
Entscheidungen treffen: Methodische Möglichkeiten bedenken, auswählen und anpassen
Die Wahl des richtigen Ansatzes hängt von einer Kombination aus den pädagogischen Zielen, den verfügbaren Ressourcen, den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Lernenden sowie logistischen Überlegungen ab. Die folgenden Fragen und Überlegungen sollen dabei helfen den passenden Weg auszuwählen und zu erarbeiten.
Mögliche Wege
Kirchenraumpädagogik für eine Gruppe
Kirchenraumpädagogik mit einer Gruppe
eine Mischform aus beidem
Ressourcen und Fähigkeiten
Welche technischen Ressourcen stehen mir zur Verfügung? (z.B. 360°-Kameras, Bearbeitungssoftware, Tablets, Handys usw.)
Wie ist mein technisches Know-how und das meiner Lernenden? Bin ich/sind sie bereit, sich in neue Technologien einzuarbeiten?
Wie viel Zeit habe ich für die Vorbereitung und Durchführung?
Inhaltliche Überlegungen
Welcher Kirchenraum oder welche Kirchenräume sind für den Unterricht am relevantesten?
Gibt es bereits Materialien oder Rundgänge, die ich nutzen kann (z.B. kirchenraum.ch)? Wenn ja, wie gut passen sie zu meinen Unterrichtszielen?
Praktikabilität und Logistik
Ist es logistisch machbar, den Kirchenraum zu besuchen?
Wie flexibel ist der Unterrichtsplan? Kann ich mehrere Besuche in einem Kirchenraum für ein Projekt einplanen oder muss ich den Rundgang in einer festgelegten Zeit durchführen?
Feedback und Evaluation
Wie wird der Erfolg des Projekts gemessen oder bewertet?
Wie wird Feedback gegeben und erhalten?
Risiken und Herausforderungen
Welche potenziellen Hindernisse oder Herausforderungen könnte es geben?
Habe ich einen Plan B, falls etwas nicht wie geplant verläuft?
Ideen und Ansätze Für eine digitale Kirchenraumpädagogik können die folgenden Ansätze je nach Kontext und Zielgruppe genutzt werden. Es lohnt sich, Ideen aus Publikationen zur analogen Kirchenerkundung oder analogen Kirchenraumpädagogik heranzuziehen und an den digitalen Kontext anzupassen.
Ideen für ein digitales Kirchenraumpädagogik-Projekt für eine Gruppe
Anpassbares digitales Material: Bereitstellung von „Leerstellen“ oder „Hotspots“ in den 360°-Rundgängen, die individuell mit Inhalten gefüllt werden können.
Interaktive Aufgaben: Digital gestaltete Aufgabenstellungen, die Lernende dazu anregen, den Kirchenraum virtuell zu erkunden und zu reflektieren.
Diskussionsgrundlage: Austausch über den virtuellen Kirchenraum/virtuelle Kirchenräume z.B. auf kirchenraum.ch zu verschiedenen Themen (z.B. Konfession, Architektur, Symbole usw.)
Ideen für ein digitales Kirchenraumpädagogik-Projekt mit einer Gruppe
Technik-Workshops: Schulung zur Bedienung und zum Umgang mit der 360°-Kamera.
Storytelling und Content-Planung: Nach der Aufnahme des Kirchenraums gemeinsame Diskussions- und Planungssitzungen, um die inhaltliche Ausgestaltung des Rundgangs zu konzeptionieren.
Gruppenarbeit und Feedback: Einbindung von Feedback-Runden, in denen die Gruppenmitglieder ihre Beiträge vorstellen und konstruktive Rückmeldungen erhalten.
Präsentationen: Der eigene Kirchenraum wird kreativ erkundet und vorgestellt.
Teilen: Ergebnisse können auf kirchenraum.ch geteilt und zur Verfügung gestellt werden.
Ideen für eine Mischform
Analyse bestehender Rundgänge: Untersuchung und Bewertung bereits existierender 360°-Rundgänge auf z.B. Kirchenraum.ch als Ausgangsbasis.
Kombinierte Aufgabenstellung: Integration bestimmter Elemente oder Ansätze aus den bestehenden Rundgängen in den neu zu erstellenden Rundgang der Gruppe.
Reflexion über den Prozess: Nach Abschluss des Projekts tiefergehende Reflexionsphase, um sowohl den Lernprozess als auch den Erstellungsprozess zu teilen.
Teilen: Ergebnisse können auf kirchenraum.ch geteilt und zur Verfügung gestellt werden.
Projekt / Verlauf planen
Planungsphase
Check 1: Termine abklären! Am Anfang der Planung steht die Terminabklärung – über das Pfarrbüro oder den Kirchenrat. Dabei sollte auch die Zugänglichkeit zu allen relevanten Räumen abgesichert werden. Es bietet sich – bei einer Auswahlmöglichkeit – an, eine Zeit reservieren zu lassen, zu der bekanntermassen im Kirchenraum wenig los ist (z.B. an einem Werktagvormittag). Auch sollte man genügend Zeit einplanen – sowohl für die „Erkundungphase“ während der Vorbereitung als dann auch bei der eigentlichen Digitalisierung.
Check 2: Jahreszeit und Jahresfestkreis abklären! In diesem Kontext sind auch die Jahreszeit und (in katholischen Kirchen) der Jahresfestkreis zu beachten. Beide haben Auswirkungen auf zentrale Elemente des Kirchenraums: Licht(-stimmung) und Ausstattung. Im Winter wird es spät hell und bald dunkel, Regen oder dichte Bewölkung sorgen auch im Kirchenraum für eine graue Stimmung. Dies gilt es zu berücksichtigen. Inventar und Schmuck aus dem Jahresfestkreis (Christbaum, Krippe, Tafel mit Namen der Konfirmanden …) kann dem geplanten Vorhaben sprichwörtlich im Weg stehen – oder setzt vielleicht sogar eigene Akzente?
Check 3: Konzept für den Kirchenraum ausarbeiten! Ausgehend vom konkreten Kirchenraum sollte man auch ein passend zugeschnittenes Konzept entwickeln. Leitende Fragen bei seiner Erstellung könnten sein: Was soll bei der digitalen Kirchen(raum)pädagogik im Vordergrund stehen? Eher die (kognitive) Wissensvermittlung oder eher die (affektive) Erfahrungsvermittlung? Mit welchen Mitteln kann diese Zielsetzung – ausgehend vom spezifischen Kirchenraum – bestmöglich erreicht und umgesetzt werden? Welche technischen Tools braucht es dafür, welche Medien sollen zum Einsatz kommen? Welche Orte müssen noch erschlossen werden, um den Kirchenraum richtig zu „verstehen“? Diese Frage gilt z.B. hinsichtlich des Glockenturms, der Sakristei, Aufnahmen von der Orgel …
Check 4: Mithelfende anfragen! Je nach Konzept gilt es anschliessend, für die technische Umsetzung Mithelfende anzufragen, z.B. eine/n Organist:in für Aufnahmen mit der Orgel
Check 5: Kirchenraum vorbereiten! Unmittelbar vor der Umsetzung gilt es, den Kirchenraum dem Vorhaben entsprechend vorbereiten: Kerzen anzünden, das Inventar „ins beste Licht rücken“, nicht Notwendiges aus dem Blickfeld entfernen – das sind Dinge, die später die digitalen Aufnahmen deutlich verbessern werden.
Check 6: Aussenaufnahmen vorbereiten Bei Aussenaufnahmen gilt das gleiche wie bei Innenaufnahmen: Die Lichtsituation ist ebenso zu berücksichtigen wie das Wetter. Wichtig ist hierbei auch darauf zu achten, dass der Kirchenraum mit seiner Einbettung in seine Umgebung klar im Mittelpunkt steht.
…
Durchführung
Wichtig ist bei der Durchführung, die Prinzipien einer rollenden Planung zu beachten – denn der Kirchenraum lebt! Aus unerwarteten Überraschungen (z. B. grosse Installation von Firmlingen vor dem Altar) glückliche Fügungen machen und sie z.B. besonders in Szene setzen. Ein Baugerüst für Renovationsarbeiten für einmalige Einsichten und Detailaufnahmen von sonst unzugänglichen Bereichen nutzen …
Den Kirchenraum nicht ins Lächerlich ziehen (z.B. durch die übertriebene Inszenierung oder Dekoration von Details), aber auch nicht überbordend sakralisieren (z.B. durch die Betonung dramatisierender Hell-Dunkel-Kontraste, Nahaufnahmen vergoldeter Flächen oder die Einnahme von fotografischen/filmischen Perspektiven mit einem Fokus auf Erhabenheit (z. B. Immer von unten nach oben) …)
Alle Beteiligten an der Digitalisierung des Kirchenraums beteiligen (lassen) und darauf achten, dass das Konzept auch während der Umsetzung verfolgt wird.
Work out loud: Das eigene Lernen / Arbeiten sichtbar machen
Nach der Umsetzung besteht die Möglichkeit, das eigene Projekt auf kirchenraum.ch zugänglich zu machen. Weitere Informationen unter kirchenraum.ch/mitmachen
Das Projektteam freut sich auf zahlreiche Beispiele aus der Praxis
[2] Dieser und die folgenden Punkte sollten Berücksichtigung finden unabhängig von der Frage, ob man für eine Gruppe eine digitale kirchen(raum)pädagogische Umsetzung plant oder gemeinsam mit einer Gruppe für andere.
[3] Möglicherweise ist – aufgrund der Altersstufe und des bisherigen Bildungsweges – anzunehmen, dass bereits in anderen Zusammenhängen (Familie, Gemeinde, andere Stufen des Religionsunterrichts,…) eine Begegnung mit dem Kirchenraum stattgefunden hat. Wiederholungen gilt es zu vermeiden. Aufbau auf vorhandenes Wissen und bereits erworbenen Teilkompetenzen zu fördern.
Verantwortliche dieses Lernmoduls
Michael Hartlieb, Mirjam Loos, Felix Lüthi, Monika Regli, Annika Schmidt, David Wakefield