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Universität Luzern
Religionspädagogisches Institut
Frohburgstrasse 3
CH - 6002 Luzern
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Online-Welten, die mit Minecraft oder der freien und kostenlosen Alternative Minetest erstellt werden, bieten spannende Möglichkeiten für die Gemeindepastoral. Egal ob im Rahmen eines Projekts oder als Dauerangebot greift dies moderne Formen der Freizeitgestaltung auf, die nicht mehr unbedingt auf einen Gruppenraum angewiesen sind. Bibeltexte können nachgespielt werden oder der Phantasie freien Lauf gelassen werden zu Themen wie Freiheit, Gerechtigkeit, gelingendem Zusammenleben und Bilder für christliche Gemeinde.
Digitale Spiele prägen den Alltag vieler Jugendlicher. Sie dienen dazu, dem Schulalltag zu entkommen, der oft von Leistungsdruck und Stress geprägt ist. Die durchschnittliche Spieldauer beträgt laut JIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest aus dem Jahr 2020 an Werktagen 121 Minuten. Meist wird auf dem Smartphone gespielt, aber auch Computer und Laptop werden häufig genutzt, vor allem von den Jungen. Ein Spiel hält sich nun seit Jahren erfolgreich an der Spitze, wurde nur zwischendurch von Fortnite verdrängt: Minecraft (siehe Tabelle). Was macht die Faszination dieses Spiels aus, dessen Grafik auf viele, die es nicht kennen, fast schon altmodisch wirkt? Es ist vor allem der Ansatz einer offenen, gestaltbaren Welt, in der viele Elemente aus der echten Welt übernommen sind. So kann man Materialien abbauen (mine) und handwerklich verfeinern (craft). Bei großen Events werden Preise ausgelobt. Geschulte Teams, die oft zu einem Großteil aus Jugendlichen bestehen, sorgen dafür, dass Spieler sich an die Regeln halten und nicht mutwillig Dinge zerstören.
Minecraft ist als kommerzielles Spiel, das 2014 von Microsoft für 2,5 Milliarden Dollar übernommen wurde, mit Kosten verbunden. Zwar haben viele Jugendliche bereits einen Account, aber längst nicht alle. Deshalb nutzen viele Projekte in letzter Zeit die Open-Source-Alternative Minetest, die von einer engagierten Community entwickelt wird und frei und kostenlos zur Verfügung steht. Ein weiterer Vorteil ist, dass Minetest geringere Hardware-Ressourcen benötigt und auf Android-Tablets und -Smartphones gemeinsam mit den besser bedienbaren PCs und Laptops gespielt werden kann.
Warum sollte man Open-World-Spiele nun in der Gemeindepastoral nutzen? Reicht es nicht, wenn Jugendliche damit ihre Freizeit gestalten? Die Erfahrung zeigt, dass Projekte mit Minecraft und Minetest sehr gut ankommen. Gerade weil sie Teil der Lebenswelt von Jugendlichen sind, freuen diese sich, wenn sie sich mit ihren Kompetenzen einbringen können. Zwar gibt es oft ein großes Gefälle darin, wie erfahren einzelne Jugendliche sind. Aber dieses Gefälle ist oft ein völlig anderes als das, was man von schulischen Kontexten kennt. Mancher, der sich in der Schule schwertut, ist ein echter Meisterbauer in der virtuellen Welt. Das Alter derer, die sich für solche Projekte begeistern lassen, ist in den letzten Jahren eher abgesunken. Ab etwa 8 Jahren kann man beginnen, Spieler über 14 Jahren sollte man mit verantwortlicheren Aufgaben betrauen; sie können zum Beispiel jüngere Spieler einführen und coachen oder mit Worldedit komplexere Bau-Aufgaben in der Vorbereitung übernehmen.
Denkbar sind grundsätzlich zwei verschiedene Settings: Entweder man baut in einem größeren Raum mehrere, auch selbst mitgebrachte Geräte auf, die per LAN oder Wlan vernetzt sind. Dann kann man zum Beispiel in der Ferienzeit über mehrere Tage ein Projekt machen oder eine längere Einheit am Stück (mindestens 120 Minuten). In diesem Fall dient ein leistungsstarker Rechner als Server, die anderen Rechner werden als Client eingebunden. Dafür reicht es, bei der Serverauswahl die IP-Adresse des Servers herauszufinden und sie bei den Clients in die Serverauswahl einzugeben.
Das zweite Setting besteht im Aufbau eines Online-Servers. Hier kann man sich auch von zu Hause aus treffen und über einen Sprachchat wie Discord oder Mumble zu festgelegten Zeiten miteinander spielen. Engagierte Gruppenmitglieder können beliebig weiterbauen und sich treffen. Wenn man einen Online-Server hat, kann man natürlich trotzdem Gruppentreffen in Präsenz organisieren, muss dann aber für gute Internetanbindung sorgen. Den Online-Server muss man nicht unbedingt selbst einrichten.
Ab einer Gruppengröße von mehr als fünf sollten Gruppen gebildet werden, die klar definierte Aufgaben haben, welche Gruppe was baut. Immer wieder werden Projektbesprechungen abgehalten, in denen möglichst mit Beamer gezeigt wird, was bisher entstanden ist, und Rückmeldung gesammelt wird, was noch erweitert und verbessert werden kann.
Einfach, aber durchaus reizvoll ist es, die eigenen Räumlichkeiten nachzubauen, etwa eine Kirche und das Gemeindehaus. Dies kann man mit Umplanungsaufträgen verbinden: Wie würde unser Gemeindehaus aussehen, wenn ihr es völlig neu planen könntet? Wie wünscht ihr euch eine Kirche, in der ihr gern Gottesdienst feiert?
Viele biblische Geschichten lassen sich so aufbereiten, dass man sie nachspielen kann. Beispiele dafür in den Youtube-Links unten. Besonders geeignet sind Geschichten, in denen Häuser vorkommen, etwa die Zachäus-Geschichte, wo Jesus am Ende in das Haus des Zachäus eingeladen wird (siehe https://blogs.rpi-virtuell.de/minetest/2018/04/26/die-jesus-welt-mit-zachaeus-geht-online/ )
Weitere Ideen:
Für die Präsentation der Ergebnisse kann man live bestimmte Szenen zeigen und darin Spieler auftauchen lassen. Sicherer ist es, vorab per Screencast ein Video zu drehen, das man dann in Ruhe mit Sprechtexten nachvertonen kann. Für viele Zwecke reicht es auch, Screenshots der Bauwerke zu erstellen, die dann im Rahmen einer Diaschau kommentiert werden können. Die Bilder zieren Internetseiten von Gemeinden genauso wie Gemeindebriefe oder Flyer für die Jugendpastoral.
Beginnend mit der Pandemie im März 2020 habe ich in Zusammenarbeit mit Tobias Thiel von der Jungen Akademie Wittenberg und der Medienpädagogin Andrea Janssen den Minetest-Bildungsserver eingerichtet, der für Einzelspieler und pädagogische Projekte zur Verfügung steht. Um diesen Server herum hat sich eine Community aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gebildet, die über Discord kommuniziert (siehe https://blogs.rpi-virtuell.de/minetest/bildungsserver/). Eine Besonderheit: Dank einem engagierten Team können auch weniger erfahrene Lehrkräfte und Gruppenleiter erfolgreiche Projekte durchführen. Dafür sollten sie sich vorab melden, dann bekommen sie die erforderlichen Rechte. Über die Mod edutest (https://blogs.rpi-virtuell.de/minetest/anleitungen/edutest-gruppenleitung-leicht-gemacht-minecraftedu/) lassen sich Gruppen managen, so kann man zum Beispiel mit einem Klick alle Spieler einer Gruppe zu sich herholen oder allen verbieten, sich zu bewegen, während man etwas erklärt. Auf dem Minetest-Server sind durch ein Rangsystem Spieler erkennbar, die besondere Rechte haben und bei Problemen helfen können.
Spielerisch den Frieden suchen mit Minecraft/Minetest: In den Herbstferien haben 11 Kinder und Jugendliche in der Jugendkirche Stuttgart inspiriert von der Jahreslosung an zwei Servern gebaut. Diese lassen sich mit Gruppen ausprobieren, noch besser ist aber, man greift die Idee auf und baut eine eigene Friedens-Adventure-Welten.
Das Kirchenfernsehen hat hier über unser Projekt berichtet:
Besonders spannend, weil noch völlig experimentell, sind Formen der Gemeinschaft, die online stattfinden. Warum versucht man nicht zwischen den regulären Terminen mal einen virtuellen Gottesdienst? Alle loggen sich in die gleiche Welt ein, manche von zu Hause aus, andere vielleicht gemeinsam vor verschiedenen Rechnern im Gruppenraum. Mit Hilfe eines Sprachchats (mumble oder teamspeak) oder eher konventionell im geschriebenen Chat lässt sich wunderbar kommunizieren. Wir haben das in einem Gottesdienst am 1. Advent in einer Kirche ausprobiert und es hat erstaunlich gut funktioniert. Virtuelle Gottesdienste sollen und werden konventionelle auf keinen Fall ersetzen, aber sie sind nah dran an der Lebenswelt der Jugendlichen und haben auf jeden Fall einen besonderen Spaßfaktor.
Adventskalender Ankündigung 2020
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY-SA 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: „Minetest / Minecraft in der Gemeindepastoral“ | Thomas Ebinger | relilab.org | Lizenz: CC BY-SA 4.0.
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