Anschrift
Universität Luzern
Religionspädagogisches Institut
Frohburgstrasse 3
CH - 6002 Luzern
Kontaktiere uns:
mail@relilab.org
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Jeder kennt es, das Gefühl, wenn man etwas ganz Besonderes geschaffen hat. Sein Eigenes, ganz nach seinen individuellen Vorstellungen kreativ gestaltet. So fing es vielleicht mit bloßen Holzklötzen an, ging über größere bis hin zu kleinen farbigen Kunststoff-Klemmbausteinen, die immer komplexer wurden, sogar elektrisch betrieben. Diesem physischen Drang kann nun virtuell nachgegangen werden und ermöglicht womöglich neue Räume religiöser Bildung.
Religionsunterricht ist immer schon ein Ort gewesen, in dem sich die Lernenden selbst auszudrücken vermochten, könnte man mit Blick auf den gegenwärtigen Unterrichtsstil annehmen. Das war jedoch nicht immer der Fall, denn bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts galten Lernende “als Adressaten einer zeitlos gültigen und unveränderlich feststehenden, in Katechismusformeln gegossenen Wahrheit” (Mendl 2015, 1.1). Heute geht man davon aus, dass Lernende sich selbst in Bezug zu den religiösen Fragestellungen setzen müssen und eine eigene Version der “Wahrheit” konstruieren. Die religiöse Wahrheitsfrage gestaltet sich etwa durch unterschiedliche Suchbewegungen, deren Einsichten und Perspektiven nicht nur kirchlichen Dogmen entspringen (vgl. u.a. Nord/Schlag 2017). Diese anthropologische Wende zeigt sich vor allem in zahlreichen religionsdidaktischen Prinzipien (z.B. Kinder- und Jugendtheologie, Genderorientierung, Medienweltorientierung etc.) deren große Klammer der Konstruktivismus darstellt, der die Lebenswirklichkeit der Lernenden in den Blick nimmt. Die Grundannahmen eines solchen didaktischen Lehr- und Lernsettings sind wie folgt:
Ein konstruktivistischer Religionsunterricht ist ein Raum, in dem Lernende ihre eigene Perspektive mit einbringen können und den Lernweg, die Methode, die Medien und sogar den Unterrichtsgegenstand verändern, aber auch mitgestaltenten. Gestaltet werden kann dieser durch unterschiedlichste Methoden, angefangen von allgemeingültigen, wie dem Brainstorming, Think-Pair-Share oder Placemate, bis hin zu vormals spezifisch religionspädagogischen Methoden, wie der Gestaltung von Bodenbildern, Kamishibais, Sandplay, Egli-Puppen und der Methodik des Theologisierens.
Minecraft bzw. Minetest kann ein Medium bzw. eine Methode darstellen, die sich an den Prinzipien eines konstruktivistischen Religionsunterrichts angelehnt, in dieser Reihe ergänzen lässt.
Minecraft (bzw. die Freeware Version davon Minetest) ist ein Spiel, in dem sich die Spielenden in einer offenen Welt ungehindert bewegen können (sog. Open-World-Spiel). Sie sind nicht an feste Abfolgen gebunden, sondern können selbst entscheiden wann und wie sie die Welt erkunden. Innerhalb der dreidimensionalen Spielwelt, die hauptsächlich aus Blöcken besteht, stehen den Spielenden zahlreiche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wie der Name des Spiels bereits verrät, können Ressourcen abgebaut werden (eng. mining), um diese dann zu neuen Gegenständen weiterzuverarbeiten (engl. crafting) und mit ihnen Gebilde zu bauen. Die Ressourcen stellen dabei solche Blöcke dar, die in ihrer jeweiligen materiellen Eigenschaft entweder Erde, Holz oder verschiedenen Erze sind. So können beispielsweise Häuser, Brücken oder Festungen kreiert und somit der Kreativität freien Lauf gelassen werden. Das schöpferische Gestalten der Minecraft Welt passiert vor allem im Kreativmodus des Spiels. Hier besitzen die Spielenden bereits alle Gegenstände und Rohstoffe und müssen diese nicht erst abbauen oder herstellen. Existentielle Probleme, wie die „Nahrungssuche, Rohstoffverwaltung, Erkundung, Landwirtschaft, Verteidigung, Hausbau, der Kontakt mit äußeren Einflüssen […] und der Kontakt mit den Avataren anderer SpielerInnen“ (Koller & Koller 2015, 159), müssen ausschließlich im Überlebensmodus bewältigt werden.
Das Unterrichtsbeispiel orientiert sich am Lehrbereich 4 “Auszeiten und Feste” der 6. Klasse an Realschulen und behandelt mit Hilfe von Minecraft das Thema Jahreskreis. Die SchülerInnen gestalten einen Rundgang durchs Kirchenjahr und sind jeweils für eigene Stationen beziehungsweise Feiertage zuständig. In Sinne der Symboldidaktik sollen sich die Lernenden überlegen welche Zeichen, Personen oder Symbole für ihren Feiertag typisch sind und diese in der virtuellen Welt nachbauen. Zum Ende der Einheit kann die Welt gemeinsam begangen werden, wodurch die SchülerInnen den Festkreis entdeckerisch erkunden können.
Die Demowelt kann hier heruntergeladen werden: >> Download
Stunde 1-2: Zunächst sollte Vorwissen abgerufen, eine grobe Übersicht über die Feiertage besprochen und Gruppen eingeteilt werden. Diese setzen sich anschließend mit ihrem Feiertag auseinander, sichten Material und konzipieren ihre Station.
Stunde 3-6: Die SchülerInnen machen sich mit dem Spiel vertraut (ca. eine Stunde) und bauen dann ihre Station entsprechend ihrem Entwurf nach.
Stunde 7-8: Den fertigen Rundgang kann die Klasse im Sinne eines Gallery Walks begehen und dabei die Ergebnisse auf einem Arbeitsblatt festhalten. Abschließend sollte eine gemeinsame Reflexion stattfinden.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur für Minecraft (vgl. Minecraft Education Edition) bzw. Minetest eine der größten Herausforderungen, neben dem Zeitaspekt sein wird. So fallen zum einen für die Integration von Minecraft zunächst Softwarekosten an und zum anderen Kosten, die hierfür benötigte Hardware. Eine kostenfreie Alternative stellt zwar Minetest dar, die Bereitstellung von Servern bedarf jedoch einer gewissen Einarbeitungszeit. Neben den finanziellen Aspekten muss die Frage nach der Effizienz überdacht werden. Eine Lerneinheit bei denen mit Blöcken gebaut wird, wird meist mehrere Stunden beanspruchen und bedarf zumindest in der Anfangsphase eine Zeit der Einarbeitung seitens Lernenden und Lehrenden.
Die großen Potenziale des Spiels liegen in der Förderung von Kreativität, der Erweiterung von sozialen Kompetenzen, durch das Kooperieren und gegenseitige Unterstützen unter den Mitlernenden, dem Spaß- und Motivationsfaktor sowie nicht zuletzt der ganz individuellen Perspektive der Lernenden. Sie beeinflussen maßgeblich die Mittel, die Planung und ihr Ergebnis. Besonders motivationale Faktoren können innerhalb religiöser Bildungsprozesse eine wichtige Rolle spielen, wenn Mitlernende dem Religionsunterricht als “Altbacken” mit einer ablehnenden oder negativen Haltung gegenüberstehen. Da sie durch einen neuen Lebensweltbezug dort abgeholt werden, wo ihre Interessen liegen, können religiöse Inhalte von einer neuen Seite kennengelernt werden. Denn: das Bauen mit Blöcken ist beliebt. So zeigt die JIM-Studie 2018 (MPFS 2018, 59), dass Minecraft eines der beliebtesten Spieletitel der Jugendlichen darstellt, wobei man gewisse Geschlechterunterschiede berücksichtigen muss).
Einen weiteren Aspekt zeigt die JIM-Studie auf: “57 Prozent besprechen beim Gamen persönliche Themen über Teamspeak” (MPFS 2018, 59). So gesehen sind es vielleicht auch gerade die Gespräche, die Handlungen und der Austausch, der “nebenbei” geschieht, welche die Perspektiven der Lernenden auf den Inhalt hin sichtbar machen – im Diskurs miteinander. Wenn religiöser Bildungsarbeit dies gelingt, im Miteinander voneinander zu lernen, sei es beim Ausmalen von Mandalas oder dem Spielen von Minecraft, so zeigt sich doch in der Methode ein zusätzliche Lernchance. Das Bauen mit Blöcken macht nichts unbedingt Neues, es gibt dem Bestehenden vielleicht aber einen neuen Ort des Ausdrucks und vermag es motivierend zu wirken.
IP-Adresse: 136.243.82.83
alternativ „bildung“ in das Suchfeld eingeben und auf „search“ klicken. Port: 30000
Online-Map: http://136.243.82.83:8080/– Discord-Server
– Weitere Infos zum Server
Autor:innen
Linda Mahler studiert Lehramt für Realschule an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und ist studentische Hilfskraft am Institut für Evangelische Theologie an der JMU Würzburg.
Jens Palkowitsch-Kühl ist Dekanatsjugendreferent mit dem Schwerpunkt Bildungsarbeit im Ev. Dekanat Aschaffenburg und Referent für digitale Bildung am Religionspädagogischen Zentrum der Evang.-Luth. Kirche in Bayern in Heilsbronn. Darüber hinaus berät er zu Digitalisierungsstrategien und gibt Trainings im Bereich Mediendidaktik, religiöse Bildung und ethische Fragen der Digitalisierung. Er freut sich über Ihren Kontakt über Twitter und XING.
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY-SA 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: „Bauwerke aus Blöcken“ | Linda Mahler / Jens Palkowitsch-Kühl | relilab.org | Lizenz: CC BY-SA 4.0.
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